Was bedeutet es, wirklich gebildet zu sein? Ich glaube, ich kann die Frage, was es bedeutet, wirklich gebildet zu sein, nicht besser beantworten, als auf einige der klassischen Ansichten zu diesem Thema zurückzukommen. Zum Beispiel die Ansichten des Begründers des modernen Hochschulsystems, Wilhelm von Humboldt, eines führenden Humanisten und einer Figur der Aufklärung, der viel über Bildung und menschliche Entwicklung schrieb und, wie ich finde, sehr plausibel argumentierte, dass das Kernprinzip und die Voraussetzung eines erfüllten Menschen die Fähigkeit ist, unabhängig und ohne externe Kontrolle konstruktiv zu forschen und zu schaffen. Um zu einem modernen Gegenstück zu kommen: Ein führender Physiker pflegte in seinen Kursen zu sagen, es sei nicht wichtig, was wir im Unterricht behandeln, sondern was man herausfindet. Aus dieser Sicht bedeutet wirklich gebildet zu sein, in der Lage zu sein, auf der Grundlage der einem zur Verfügung stehenden Ressourcen, die man zu schätzen und zu verstehen gelernt hat, zu forschen und zu schaffen. Zu wissen, wo man suchen muss, zu wissen, wie man ernsthafte Fragen formuliert, eine Standardlehre in Frage zu stellen, wenn das angebracht ist, seinen eigenen Weg zu finden, die Fragen zu formulieren, die es wert sind, verfolgt zu werden, und den Weg zu entwickeln, um ihnen nachzugehen. Das bedeutet, viele Dinge zu wissen und zu verstehen, aber auch, und das ist viel wichtiger als das, was man in seinem Kopf gespeichert hat, zu wissen, wo man suchen muss, wie man suchen muss, wie man hinterfragt, wie man herausfordert, wie man unabhängig vorgeht, mit den Herausforderungen umgeht, die die Welt einem stellt und die man im Laufe seiner Selbstbildung und seiner Nachforschungen und Untersuchungen entwickelt, in Zusammenarbeit und Solidarität mit anderen. Das ist es, was ein Bildungssystem vom Kindergarten bis zur Graduiertenschule fördern sollte und im besten Fall manchmal tut, und das führt zu Menschen, die, zumindest nach meinen Maßstäben, gut gebildet sind.
 Noam Chomsky